Bei antibiotisch-imprägnierte Kathetern (AIC) wirken die Antibiotika im Bereich der kritischen Operationswunden und direkt an der Oberfläche des Implantats. Es handelt sich also um eine lokale Anwendung von Antibiotika, bei der über die Katheter für eine bestimmte Zeit lang Antibiotika an das umliegende Gewebe abgeben werden. Anstelle einer antimikrobiellen Beschichtung der Oberfläche, wie es manchmal bei anderen Implantaten der Fall ist, bedeutet "Imprägnierung", dass die Antibiotika in die Silikonmatrix des Katheters eingebettet sind. Bei der Herstellung solcher "imprägnierter" Katheter wird die Tatsache ausgenutzt, dass bestimmte organische Lösungsmittel vom Silikon aufgesogen werden, wie Wasser von einem Schwamm. Beim Trocknen, d.h. wenn das Lösungsmittel wieder aus dem Silikon entweicht, bleiben die gelösten Antibiotika im Katheter. Von dort werden sie mindestens in den kritischen ersten vier Wochen nach der Implantation langsam in den Liquor und das umliegende Gewebe abgegeben. Diese Antibiotika-Abgabezeit kann durch die entsprechende Produktion festgelegt werden. Im Vergleich zu einer einmaligen Gabe von Antibiotika während der Operation ist die Abgabe über diesen kritischen Zeitraum natürlich ein entscheidender Vorteil. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Antibiotikum nicht nur von außen auf das umgebende Gewebe wirkt, sondern auch in dem mit Liquor gefüllten inneren Katheterlumen.

Das Prinzip für einen solchen imprägnierten Katheter wurde bereits 1987 von Roger Bayston und Nancy Grove patentiert und beschrieben (US-Patent Nr. 4,917,686, siehe https://patents.google.com/patent/US4917686A/en) [47; 48]. Als erster kommerzieller AIC, der mit Rifampicin (0,054 m%) in Kombination mit Clindamycin-Hydrochlorid (0,15 m%) imprägniert war, kam "Bactiseal" von Codman auf den Markt, der von Alfred Aschoff bereits 1999 erwähnt wurde [49]. Es gibt also bereits mehr als 20 Jahren klinische Erfahrung mit Kathetern solcher Art.

Die Auswahl und Konzentration der Antibiotika, die zur Katheter-Imprägnierung verwendet werden, müssen verschiedene Randbedingungen erfüllen. Die Antibiotika müssen nicht nur gegen die wichtigsten grampositiven Erreger wirksam (wie in Abbildung 2 dargestellt), sondern auch mit der Silikonmatrix kompatibel sein. Nur dann kann die Freisetzungsrate im implantierten Zustand genau eingestellt werden. Rifampicin ist in dieser Hinsicht ideal geeignet.

Bereits im Jahr 2000 haben Kockro, Aschoff et al. [50] eine sehr eindrucksvolle vergleichende Studie unter dem Elektronenmikroskop (Rasterelektronenmikroskopie, REM) durchgeführt, in der der schnelle zeitliche Verlauf der bakteriellen Besiedlung und Biofilmbildung auf einem einfachen und einem mit Rifampicin imprägnierten Katheter direkt zu sehen ist. Abbildung 3 zeigt, wie das Wachstum von Keimen auf dem AIC fast vollständig unterdrückt wird.

Rifampicin ist jedoch leider auch für seine schnelle Resistenzentwicklung bekannt [51]. Daher wurde es mit einem zweiten Antibiotikum (Clindamycin-Hydrochlorid) kombiniert, das eine andere Wirkungsweise hat und somit die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlicher macht. Ein weiterer Vorteil der Kombination von zwei verschiedenen Antibiotika ist, dass die individuellen Konzentrationen niedriger sein und somit lokal toxische Konzentrationen vermieden werden können [52]

Seit der ersten klinischen Studie im Jahr 2003 wurde Bactiseal sehr häufig verwendet und beschrieben [53; 54]. Im Jahr 2011 brachte Medtronic zusätzlich den ARES-Katheter auf den Markt, der den gleichen Spezifikationen hinsichtlich der Art und Menge der verwendeten antimikrobiellen Wirkstoffe entspricht (510(k)-Nr.:K110560). Es liegen zahlreiche Studiendaten über den Einsatz dieser Produkte vor, die die Sicherheit und Wirksamkeit solcher AICs im Bereich der Hydrocephalus-Therapie belegen. In den westlichen Ländern werden AICs heute in einer deutlichen Mehrheit der Fälle als Teil der prophylaktischen Protokolle eingesetzt. In ihrer weltweiten Umfrage analysierten Behbabani at el. 118 vollständige Antworten. Die Auswertung ergab, dass AICs in etwa 80% der amerikanischen und europäischen Einrichtungen verfügbar sind. Viele andere neurochirurgische Zentren gaben an, dass sie routinemäßig AIC für alle Shunt- oder EVD-Verfahren verwenden [25; 55; 56]. Daten aus zwei großen multizentrischen Studien weisen ebenfalls auf den weit verbreiteten Einsatz von AICs bei pädiatrischen Patient*innen in den USA hin: Die gemeldeten Einsatzraten lagen bei über 50% in der Studie von Lakomkin et al. [57] (2007 Fälle) und über 80% bei Chu et al. [24] (4913 Fälle).

Klinische Evidenz für AICs: Die BASICS-Studie

Wie bereits erwähnt, fehlt für viele einzelne prophylaktische Maßnahmen in den beschriebenen Protokollen streng gefasst die klinische Evidenz, mit Ausnahme der AICs. Denn im Jahr 2019 wurde die Wirksamkeit von AICs zum ersten Mal und mit einem sehr hohen Evidenzgrad in der BASICS-Studie nachgewiesen [5; 6]. Bei der BASICS-Studie handelt es sich um eine randomisierte, prospektive, kontrollierte Studie (RCTs) mit hervorragendem Studiendesign und valider Fallzahlplanung. Es ist zunächst überraschend, dass dieser Nachweis erst so spät, d.h. erst vor kurzem erbracht wurde, da Katheter dieser Art bereits seit über zwei Jahrzehnten auf dem Markt sind und eine Vielzahl von Studien zu ihrem Einsatz vorliegen. Diese Tatsache unterstreicht, wie zeitaufwändig, kostenintensiv und schwierig es ist, eine ordentliche, gut konzipierte RCT durchzuführen. Alle bisherigen Studien, einschließlich der prospektiven randomisierten Studien, hatten zu geringe Fallzahlen, um die AIC-Wirksamkeit mit großer Evidenz zu belegen.

Die BASICS-Studie hingegen muss als eine herausragende, erstklassige RCT angesehen werden, die in Bezug auf Design, Durchführung und Auswertung durchdacht und angemessen ist. Insbesondere die im Vergleich zu anderen Studien sehr hohe endgültige Fallzahl von 1.605 Patient*innen entspricht einer ausreichenden Studienpower von mindestens 80%. Sie vergleicht drei Behandlungsgruppen miteinander, weshalb sie auch als 3-armige Studie bezeichnet wird: Standardkatheter, silberimprägnierte Katheter und AICs. Silberimprägnierte Katheter (SICs) haben theoretisch einen ähnlichen Wirkmechanismus wie AICs, nutzen aber Silber als antimikrobiellen Wirkstoff. Wie bei den AICs befindet sich das Silber in der Silikonmatrix und soll im implantierten Zustand durch Lösung an die Umgebung abgegeben werden. SICs werden in der Literatur deutlich seltener als AICs beschrieben und ihre Wirksamkeit ist umstritten.

Insgesamt wurden 1.605 Patient*innen aller Altersgruppen und Hydrocephalus-Ätiologien in 21 britischen und irischen Krankenhäusern zwischen 2013 und 2017 untersucht, d. h. mehr als 530 Fälle pro Gruppe. Es wurden nur Patient*innen eingeschlossen, die zum ersten Mal einen ventrikuloperitonealen Shunt (von einem beliebigen Hersteller) erhielten. Patient*innen mit Folge-Shunts wurden ausgeschlossen, da diese bekanntermaßen ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweisen und daher nicht fair mit Erst-Shunts verglichen werden können. Nach der Implantation wurden alle Patient*innen für mindestens 6 Monate und maximal 2 Jahre nachbeobachtet.

Als Ergebnis wurde ein signifikanter Unterschied zwischen der Infektionsrate von 6% in der Standardgruppe und 2% in der AIC-Gruppe festgestellt. Die leicht zu übersehende, aber wichtige Aussage, dass diese Verringerung "signifikant" war, bedeutet, dass dieser Unterschied mit ziemlicher Sicherheit nicht auf Zufall - "aufgrund normaler, unvermeidbarer Variabilität" - sondern tatsächlich auf die Wirksamkeit der AICs zurückzuführen ist. Als wichtiges Ergebnis der BASICS-Studie soll hier betont werden, dass die Gruppe mit den Silberkathetern die gleiche Infektionsrate wie die Standardgruppe (6%) aufwies, so dass nicht von einer Wirksamkeit der SICs ausgegangen werden kann.

Die umfangreichen BASICS-Daten wurden auch im Hinblick auf die entstehenden Kosten gründlich analysiert. Das Ergebnis ist, dass der Einsatz von AICs zu einer effektiven Kosteneinsparung (im britischen Gesundheitssystem) von £135.753 (ca. $171.000, ca. €158.000) pro vermiedene Infektion führt. Diese Zahl stimmt gut mit den Ergebnissen früherer umfassender Kosten-Nutzen-Analysen überein. Im Jahr 2015 analysierten Parker et al. Daten aus 287 US-Krankenhäusern von 10.819 erwachsenen und 1.770 pädiatrischen Patient*innen [59]. Sie schätzen die gesamten zusätzlichen Kosten pro Infektion auf ca. 45.000 - 95.000$ für Erwachsene und ca. 56.000 - 121.000$ für Kinder.

„In analysis of this large, nationwide database, AICs were found to be associated with a significant reduction in infection incidence, resulting in tremendous cost savings. AICs were associated with a cost savings of $42.125 and $230.390 per 100 de novo shunts placed in adult and pediatric patients, respectively.“

["Bei der Analyse dieser großen, landesweiten Datenbank wurde festgestellt, dass AICs mit einer signifikanten Verringerung der Infektionsinzidenz einhergehen, was zu enormen Kosteneinsparungen führt. AICs waren mit einer Kostenersparnis von 42,125 $ und 230,390 $ pro 100 neu angelegte Shunts bei erwachsenen bzw. pädiatrischen Patienten verbunden."]

Ebenfalls im Jahr 2015 legten Edwards et al. [34] eine umfassende Literaturanalyse vor, die zu folgendem Ergebnis kam:

“The rate of decrease in infection with AIC shunts was shown to have the greatest impact on the cost savings realized with use of AIC shunts.”

["Es hat sich gezeigt, dass der Rückgang der Infektionen mit AIC-Shunts den größten Einfluss auf die Kosteneinsparungen hat, die durch die Verwendung von AIC-Shunts erzielt werden."]

Hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Analyse hat die BASICS-Studie somit die früheren Analysen voll bestätigt und trotz der höheren Anfangskosten kann eine relevante Kosteneinsparung durch den Einsatz von AICs nun als sicher gelten.

Die Abnahme der Infektionswahrscheinlichkeit mit dem Alter wurde ebenfalls bestätigt, wobei die Wirksamkeit der AICs bei Kindern und Personen mit hohen Infektionsraten am deutlichsten ist.

BASICS kam jedoch auch zu einem unerwarteten Ergebnis: Die kumulativen Gesamtrevisionsraten, die alle möglichen Komplikationen oder Shuntausfälle einschließen, blieben für AICs genauso hoch wie für Standardkatheter (und Silberkatheter). Mit anderen Worten: Die mittlere Lebensdauer des Shunts hat sich mit AICs trotz eines geringeren Infektionsrisikos nicht erhöht. In der AIC-Studiengruppe traten anstelle von Infektionen häufiger andere Komplikationen auf, so dass die relative Zahl aller Revisionen unverändert blieb. Vor allem Verstopfungen des Ventrikelkatheters und der Ventile nahmen zu. Mallucci et al. stellten die Hypothese auf, dass die AICs eine Infektion in eine niedriggradige Infektion umwandeln, bei der sich die ursprünglichen Erreger mit geringer Virulenz auf einen Biofilm im (nicht imprägnierten) Ventilkörper beschränken. Dies könnte dann zu einem mechanischen Versagen führen. Die Autoren schreiben:

“However, changes in CSF composition and flow (such as debris or high protein) might block the intricate valve mechanism. Our study was not powered or designed to answer this question directly, [...] Nevertheless, from the patient’s perspective, although mechanical shunt revision still requires surgery which could impact on quality of life, the hospital admission is short, prolonged antibiotics are not required, and patients recover faster with fewer long-term neurological sequelae than if their shunts become infected.”

["Veränderungen in der Liquor-Zusammensetzung und im Liquor-Fluss (z. B. Trümmer oder ein hoher Eiweißgehalt) könnten jedoch den komplizierten Ventilmechanismus blockieren. Unsere Studie war nicht darauf ausgerichtet, diese Frage direkt zu beantworten, [...] Aus Sicht der Patient*innen ist die Revision eines mechanischen Shunts zwar immer noch ein chirurgischer Eingriff, der die Lebensqualität beeinträchtigen kann, aber der Krankenhausaufenthalt ist kurz, eine längere Antibiotikaeinnahme ist nicht erforderlich, und die Patient*innen erholen sich schneller und haben weniger neurologische Langzeitfolgen als bei einer Infektion des Shunts."]

Eine Revision aufgrund einer Infektion ist eindeutig eine schlimmere Komplikation als eine Revision aus anderen Gründen, da diese Infektionen schwieriger zu behandeln sind und das Risiko von Folgeinfektionen erhöhen. Langwierige Antibiotikabehandlungen und Re-Operationen sind nicht nur für Patient*innen verheerend, sondern stellen auch eine große Belastung für das Gesundheitssystem dar, da mehr Kosten für die Behandlung (Antibiotika, mehrfache Operationen) und die verlängerten Krankenhausaufenthalte anfallen.

Sollte sich das Auftreten erhöhter Revisionsraten aus nicht-infektiösen Gründen beim Einsatz von AICs tatsächlich bestätigen, so muss in Zukunft die dahinterliegende Ursache geklärt werden.

Wir schließen unseren Überblick mit einem Zitat aus einer anderen aktuellen Meta-Analyse, die sich kritisch mit den Ergebnissen der BASICS-Studie auseinandersetzt, der Studie von Goda et al. [60]. Diese Arbeit soll hier nicht unerwähnt bleiben, weil sie verschiedene, eher selten verwendete, komplexe Methoden ("Cochrane risk of bias assessment tool", "trial sequential analysis", "network meta-analysis") zur Klärung der Evidenzfrage anwendet:

“…antibiotic medicated ventriculoperitoneal shunts had the highest probability of being the best option in terms of the relative infection rates.”

 ["... Antibiotika-haltige ventrikuloperitoneale Shunts hatten die höchste Wahrscheinlichkeit, die beste Option im Hinblick auf die relativen Infektionsraten zu sein."]

Die bisher vorliegenden Erkenntnisse weisen somit auf die Wirksamkeit und Kosteneffizienz von antibiotisch imprägnierten Kathetern hin, die den Chirurg*innen eine gut untersuchte Option zur Eindämmung von Infektionsrisiken bei Shuntoperationen bieten.